Magerwahn der Models

by wbartl@proseco.at
Mageres Model

Der ewige Kampf gegen verzerrte Schönheitsideale

Die Debatten um den Magerwahn reißen einfach nicht ab. Dafür sorgen ständig neue TV-Formate, welche das Thema Fashion und Models aufgreifen. Aber auch die weltweit ausgetragenen Fashion Weeks sorgen immer wieder dafür, dass die Diskussionen angeheizt werden.

Dazu werden immer wieder sehr dünne Models präsentiert, welche neben dem Gang über den Laufsteg nur eine Aufgabe zu haben scheinen: Der Frauenwelt zu suggerieren, dass Erfolg und Schönheit auf die optimale Kleidergröße zurückzuführen sind. Dass es sich dabei um einen gesundheitsgefährdenden Trend handelt, ist kein Geheimnis. Und trotzdem scheint keine Änderung in Sicht zu sein. Dabei ist der Magerwahn nicht nur in physischer Hinsicht gefährlich, auch die Seele wird durch diesen Zugzwang stark beeinträchtigt, weshalb normalgewichtige Frauen immer wieder mit einem mangelnden Selbstbewusstsein zu kämpfen haben.

Der Kampf um jedes Pfund

Die Redewendung „Wer schön sein will muss leiden“ hat sicherlich jeder schon einmal gehört. Diese wenn auch abgedroschene Floskel kommt allerdings nicht von ungefähr. So sehen viele junge Mädchen im Modeln ihren Traumberuf, für welchen sie bereit sind alles zu tun.

Die Ambitionen sind dabei immer dieselben: Die Mädchen wollen ebenso wirken und wahrgenommen werden, wie die bekannten Gesichter in den entsprechenden Zeitschriften. Diese Mädchen träumen allesamt davon um die Welt zu reisen, dabei gutes Geld zu verdienen und viel Aufregendes zu erleben. Die Medaille hat allerdings noch eine Kehrseite. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Mädchen überhaupt gebucht werden. Und um gebucht zu werden, müssen sie den Schönheitsidealen entsprechen, welche von den einzelnen Agenturen festgelegt werden.

Und eben hier ist immer deutlicher ein fragwürdigeres Ausmaß zu erkennen. So wird dieses Schönheitsideal über einen skelettartigen Körperbau, sowie hervortretende Schulter- und Beckenknochen definiert. Um dieses Ziel zu erreichen und so schlank wie möglich aussehen, hungern die Mädchen was das Zeug hält. Dabei handelt es sich um eine Unterernährung, aus welcher fatale Folgen resultieren können, mit denen sich die Betroffenen im Vorfeld nicht auseinandersetzen. Denn der Krampfhafte Kampf um jedes einzelne Pfund kann diverse Krankheiten auslösen. So können Magersucht, Kreislaufversagen, Bulimie, Herzversagen und geschädigte Organe die Folge sein. Im schlimmsten Fall endet diese Unterernährung mit dem Tod. Viele Betroffene stecken an dieser Stelle in der Spirale fest. Dieser Teufelskreis welcher aus dem Streben nach Erfolg, Anerkennung und vorgegebenen Schönheitsidealen aus aufgebaut ist, kann nur durchbrochen werden, wenn alle Verantwortlichen in der Modelbranche endlich ein Umdenken praktizieren würden. Dieses Umdenken müsste sich darüber hinaus in den Köpfen der Mädchen manifestieren.

Das Maß legt die Gesellschaft fest

Seit Menschengedenken werden Schönheitsideale durch die Gesellschaft geprägt. In keiner Epoche zuvor galten dünne beziehungsweise magere Frauen als ansehnlich oder besonders begehrenswert. Rubens und andere bekannte Maler waren damit beschäftigt, Portraits von runden und wohlbeleibten Frauen zu zeichnen. Diese Frauen definierten auch das Idealbild holder Weiblichkeit. In den 60er Jahren wurde die Modewelt von Twiggy angeführt. Sie stellte ihren schlaksigen und dünnen Körper ungeniert zur Schau und präsentierte diesen mit unverwechselbarer Leichtigkeit.

Das Resultat: Alle jungen Mädchen wollten so aussehen wie sie. Bis heute hat sich diese Idealvorstellung von Schönsein nicht geändert. Aber nicht nur, dass sich diese Vorstellung nichtgeändert hat, sie dient auch als Basis für hitzige Debatten. Schließlich nehmen auch zahlreiche Prominente immer wieder Stellung zu diesem Thema und outen sich dabei zum Teil als Magerwahngegner. Ganz anders jedoch Wolfgang Joop. Der bekannte Modedesigner macht nicht als Gegner, sondern als Befürworter auf sich aufmerksam. Dazu fordert er weiterhin, dass nur sehr dünne Models über seinen Laufsteg gehen dürfen. Und auch mit seiner extremen Meinung hält Lagerfeld nicht hinterm Berg. Nach eigener Aussage müssen dort wo der Konsum regiert, Opfer gebracht werden.

Während Lagerfeld mit dieser Meinung auch weiterhin auf die extrem dünnen Models setzt, werden diese ebenfalls laut. So zum Beispiel Topmodel Kate Moss. Sie ließ verlauten, dass sich nichts so gut anfühlt, wie dünn sein. Diese und weitere Statements bleiben jedoch nicht ungehört. Ganz im Gegenteil: Das Denken und Handeln junger Mädchen wird damit stark beeinflusst. Dabei handelt es sich um Mädchen, die ihren Vorbildern unbedingt nacheifern.

Gefährliche Trends kursieren im Netz

Wie gefährlich der Magerwahn ist, lässt sich auch deutlich an den Trends erkennen, welche in den Fokus rücken. Zum Beispiel der sogenannte Thigh Gap. Dabei handelt es sich um eine Lücke zwischen den Oberschenkeln, welche in der Modewelt als absolutes Schönheitsideal gilt. Um diese Lücke zu bekommen, muss gehungert werden. Dazu kursieren inzwischen sogar fragwürdige Anleitungen im Internet, welche jedoch keine Rücksicht darauf nehmen, dass der Körper individuell gebaut ist und nicht in der Lage dazu ist, auf dieses vermeintliche Schönheitsideal abzumagern. Mal abgesehen davon, dass ein Thigh Gap definitiv nichts Erstrebenswertes ist, wird häufig nicht berücksichtigt, dass das Becken schmaler oder breiter ausfallen kann und nicht jede Frau ein Thigh Gap bekommen kann.

Ein weiterer gefährlicher Trend welcher aktuell in den Fokus rückt, ist die sogenannte Bikini-Bridge. Dabei stehen die Beckenknochen so weit hervor, dass das Bikini-Höschen darüber spannt und quasi eine Brücke bildet. Diese Brücke entsteht durch den Abstand vom Höschen zur Haut am Unterbauch und definiert aktuell einen Trend, welcher sich rasend schnell im Netz verbreitet. Bei der Verbreitung dieser Bilder werden primär soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram genutzt.

Wo fängt Dicksein an?

Die Folgen des Magerwahns zeichnen sich vor allem in der Gesellschaft ab, wo das Frauenbild total verzerrt ist. Es stellt sich immer wieder unweigerlich die Frage, wo Dünn sein aufhört und Dicksein anfängt. Bei Frauen liegt der ideale Bodymaßindex zwischen 19 und 25. Die Kleidergröße 32 bedeutet Size Zero. Dieses Schmalmaß tragen die Models auf den Laufstegen und befinden sich teilweise sogar weit darunter. Das bedeutet, dass Bodymaßindex (BMI) weit unter 18 und somit an die Grenze zum Untergewicht rutscht. Wirft man einen Blick auf Modeschauen für Übergrößen, fallen einem immer wieder Models ins Auge, welche Kleidergröße 38/40 tragen. Diese Konfektionsgröße galt bislang als normal und wurde dazu noch als schlank bezeichnet.

Bei dieser Einordnung muss jedoch Bilanz gezogen werden: Mehr als die Hälfte der Frauen müssen demnach dick sein. Inzwischen bieten einige Labels sogenannte „Übergrößen-Modelinien“ an. Diese umfassen die Konfektionsgrößen 40 bis 54. Normalgewichtige Frauen müssen sich an dieser Stelle überlegen, wo sie sich einordnen dürfen. Schließlich gilt die Normalgröße 40 inzwischen als Übergröße und wird als „Plus Size“ bezeichnet. Dabei stellt sich natürlich auch die Frage nach der Wertigkeit:

Ist eine Frau weniger attraktiv, nur weil sie nicht in Size Zero passt, sondern stattdessen die Kleidergröße 40 trägt?

Es stellt sich aber auch die Frage, ob größeren Konfektionsgrößen tatsächlich eine extra Bezeichnung gegeben werden muss. Dabei bleibt bei der Bezeichnung „Plus Size“ auch die Frage nach der Wertigkeit. Sind Sie weniger attraktiv, nur weil Sie nicht in Kleidergröße 34, sondern eher in die 40 passen? Muss größeren Konfektionsgrößen eine Extrabezeichnung gegeben werden?

Der Kampf gegen den Magerwahn

Es geht jedoch auch anders. So engagieren sich inzwischen immer mehr Firmen dafür, ein Zeichnen zu setzen oder den Magerwahn komplett zu eliminieren. Deren Werbekampagnen umfassen zwar auch Models auf Plakaten, allerdings werden diese in ihrer ganzen Natürlichkeit gezeigt. Diese Firmen verzichten auf die Präsentation von Abbildern, welche mit Photoshop retuschiert wurden. Und auch der Kosmetikhersteller Dove transportiert seine Botschaft erfolgreich seit vielen Jahren. Dabei fokussiert der Konzern das Konzept, dass Frauen ermutigt werden sollen. Diese müssen darin bestärkt werden sich so zu zeigen, wie die Natur es vorgesehen hat. Das Frauenbild welches aus den Kampagnen hervorgeht, richtet dabei folgende Botschaft an die Gesellschaft: „Seht alle her, ich gefalle mir so, wie ich bin. Mir geht es sehr gut dabei, dass ich nicht in ein Muster oder in eine Schablone passe!“ Schließlich stellt sich natürlich die Frage, wer genau eigentlich festlegt, dass nur ein dünner Körper besonders attraktiv ist. So erkennen sich viele Frauen in den Fotos wieder, welche von normalgewichtigen Frauen aufgenommen werden begreifen dabei, dass die gewünschte Attraktivität nicht nur durch ein ansehnliches Äußeres ausgestrahlt wird, sondern vor allem auch von innen kommt. Frauen die bereits erkannt haben, dass es wichtig ist sich selbst so zu akzeptieren, wie es die Natur vorgesehen hat, gehören zu den wahren Gewinnern im Leben. Dazu gehört auch, dass alle Unebenheiten und Makel nicht nur akzeptiert, sondern auch für gut befunden werden. Ein effektiver Schritt dahin wäre das Streichen bestimmter Begriffe. So sollten Bezeichnungen wie „Plus-Size“ oder „Übergröße“ gänzlich aus der Modewelt entfernt werden.

Immer wieder neuer Diskussionsstoff

Und auch die aktuelle „Victoria’s Secret“-Kampagne erhitzt die Gemüter. Diese läuft unter dem Slogan „The perfect Body“, wirbt für eine neue BH-Linie und präsentiert lauter Magermodels. Zahlreiche Proteste brachen auf Twitter los und inzwischen fordert eine Online-Petition den Wäsche-Hersteller sogar auf die Marketing-Strategie zu überdenken und sich zu entschuldigen. (vgl. dazu Skinny Models) Die Kampagne sorgt aktuell für großen Ärger. Schließlich werden nur extrem dünne Models gezeigt, wobei der Slogan „The perfect Body“ ein völlig falsches Bild vermittelt. Dass „Victoria’s Secret“ die eigenen Kollektionen nur von sehr schlanken Models präsentieren lässt, ist kein Geheimnis. Und auch wenn viele der Kundinnen in der Reizwäsche nicht annähernd so aussehen wie Alessandra Ambrosio (33) oder Candice Swanepoel (26), so sorgt das aktuelle Werbeplakat für Empörung.

Der allgemeine Unmut bringt dabei zum Ausdruck, dass die Kampagne ein verzerrtes Frauenbild verbreitet. Die aktuelle BH-Kampagne zeigt zehn Top-Models, welche alle mit auffällig dünnen Beinen extrem schlanken Taillen und durchtrainierten Bäuchen posieren. Über ihren Köpfen der aktuell brisanteste Werbeslogan: „The perfect body“ in großen Druckbuchstaben. Kritiker ärgern sich über diese stark nachbearbeiteten Frauenkörper, welche unnatürlich aussehen und mit einer Durchschnittsfrau nichts mehr gemeinsam haben. Dass es sich hierbei um ein Wortspiel handelt und mit dem Wort „Body“ nicht der Körper, sondern der BH gemeint ist, versteht niemand. Diese Werbebotschaft ging dann wohl eher nach hinten los. Kurz nachdem diese Kampagne erschien, wurde drei englische Studentinnen aktiv. Sie starteten eine große Online-Petition, welche das Unternehmen dazu auffordert, umstrittene Marketing-Strategien wie diese künftig zu überlassen und sich parallel dazu zu entschuldigen. Schließlich würde diese Art von Werbung eine ungesunde Botschaft transportieren, welche ein verzerrtes Bild von Frauenkörpern verbreitet und fatale Folgen beherbergt. Darunter Essstörungen eine ablehnende Körperbewertung und ein schlechtes Selbstbewusstsein.

So empört reagiert die Gesellschaft

Bislang wurden 12.500 Unterschriften gesammelt. „Victoria’s Secret“ hat mit einem neuen Plakat auf den Vorfall reagiert. Auf dem neuen Plakat sind zwar noch dieselben ultradünnen Models zu sehen, jedoch ist jetzt zu lesen: „A body for every body“, was übersetzt „Wäsche für jeden Körper“ bedeutet.

Aber auch auf Twitter brach ein regelrechter Shitstorm los. Unter dem Hashtag #iamperfect diskutieren sowohl Männer als auch Frauen, was sie von der Botschaft halten. Und auch das britische Modelabel Topshop musste sich einem Shitstorm aussetzen, nachdem die eigene Kollektion an Schaufensterpuppen präsentiert wurde, welche offensichtlich einem völlig verschobenen Schönheitsideal entsprechen. Die Britin Becky Leigh Hopper postete ein Bild von sich und einer der klapperdürren Schaufensterpuppen, womit sie die brisante Diskussion auslöste. Die Britin äußerte sich dazu, sie hätte schon viele Schaufensterpuppen gesehen, wie unheimlich dünn wären. Aber die abfotografierten Schaufensterpuppen seine magersüchtig, so Becky.

Aber auch eine Kampagne mit Robyn Lawley sorgt derzeit für Wirbel. Das Model wirbt mit Kleidergröße 38 für Übergrößen. Und auch das Label Mango sorgt mit einer „Plus Size Linie“ für Diskussionsstoff. Da stellt sich natürlich die Frage, ab wann eine Frau nicht mehr als schlank gilt. Eigentlich sollte es dabei auf den Betrachter ankommen. Doch einige Model-Bilder des spanischen Modelables Mango heizen die Diskussionen um den Magerwahn wieder an. So erregte ein Foto von dem Model Robyn Lawley Aufsehen, weil sie mit Konfektionsgröße 38 für eine Modelinie in Übergrößen wirbt. Geht es um die Modelinie Violeta by Mango, so heißt es die Kollektion umfasst die Größen 40 bis 52, wobei es sich um eine Übergrößen-Kollektion handeln muss, da die Teile sonst nur in 36 und 38 gefertigt werden. Diese Übergrößen-Kollektion würde ein falsches Frauenbild bedienen, so geht es aus der Diskussion hervor.

Die Reaktionen auf das Model, welches angeblich in die Kategorie „Plus-Size“ gehört, sind zum Teil sehr heftig. Auf der Webseite change.org wurde eine Petition gestartet, welche das Modelabel dazu auffordert die Kampagne zu stoppen. Zu lesen ist dabei der Aufruf, dass Größe 40 nichts Besonderes sei. Bislang wurde die Petition von mehr als 60.000 Menschen unterschrieben. Im Gegensatz zu „Victoria’s Secret“ hat sich das Modelabel jedoch schon zu diesem Fall geäußert und erklärt die Kampagne dahingehend, dass man sich bemüht habe, individuelle Schnitte für verschiedene Frauentypen zu kreieren. Zudem spricht der Konzern nicht explizit von Übergrößen, sondern moderner und junger Kleidung, die bequem ist und zu jedem Anlass getragen werden kann. Psychologen sprechen bei einem derartigen Größen-Konzept von Diskriminierung durch die Hintertür. Es bleibt zu kritisieren, dass die Modeindustrie nach wie vor an falschen Schönheitsidealen festhält. Dabei sah die Tendenz in der Modebranche in den letzten Jahren positiv aus. Es waren zahlreiche Anstrengungen zu verzeichnen, welche dahin gehend unternommen wurden, den Magerwahn zumindest einzugrenzen.

Foto: nyul – Fotolia.com

Ähnliche Beiträge